tekom-Frühjahrstagung 2009
Dokumentation mit Persönlichkeit
Martin Häberle, Karlsruhe
Damit eine Anleitung gerne gelesen wird, muss sie den Leser ansprechen. Ein persönliches »Sie« ist dabei nur der erste Schritt. In diesem Beitrag wird gezeigt, dass »ansprechend« durchaus wörtlich gemeint sein kann, wenn dem Hilfesuchenden gezielt eine Persönlichkeit entgegentritt, zu der er Sympathie empfindet und damit eine Beziehung aufbaut.
Sympathieträger und Maskottchen
In einer zunehmend technologisierten und als bedrückend empfundenen Welt sehnen sich viele Menschen nach Ansprache, Begleitung und Sympathieträgern. In der Werbung sind Maskottchen und Identifikationsfiguren als Marketing-Instrumente seit langem üblich. Sie appellieren an die Emotionen der potenziellen Kunden und dienen als Bestandteil des Corporate Designs als (Wieder-) Erkennungssymbol. Auch auf dem Sachbuchmarkt finden sich zahlreiche Maskottchen und Identifikationsfiguren. So ist das »Für Dummies«-Männchen Symbol des heiteren, wissbegierigen Anfängers in der gleichnamigen Sachbuchreihe [1]. Bei Kindersachbüchern ist der tatkräftige Einsatz des Nagetiers aus der »Sendung mit der Maus« ein Verkaufsrenner [2]. Es stellt sich also die Frage, ob diese Konzepte auch auf die Technische Kommunikation übertragbar sind.
Häufig beschränkt sich der Einsatz von Sympathieträgern auf Vertriebsunterlagen, möglicherweise noch auf den Internetauftritt. Die Produktdokumentation muss ohne Persönlichkeit auskommen – Potenziale zur Leserbindung und zur durchgängigen Produktkommunikation werden verschenkt.
»Intelligente« Helfer und Leitfiguren
Einen Schritt weiter vom bloßen Repräsentieren hin zur aktiven Kommunikation gehen Ansätze aus der Software-Branche mithilfe von interaktiven Helfern. Künstliche Intelligenz kommt etwa auf dem Internetauftritt der Möbelkette IKEA in Form eines sogenannten Chat-Avatars zum Einsatz. »Frag Anna« heißt das Motto: Eine freundliche Figur beantwortet die gängigsten Fragen zu Billy, Bezahlmöglichkeiten und Co. und schafft ganz nebenbei eine persönlichere Atmosphäre.
Doch nicht jede Umsetzung gelingt – wie die Büroklammer in Word. Der sogenannte Office-Assistent machte sich durch sein penetrantes, zappeliges Auftreten und seine stark begrenzten Hilfefähigkeiten derart unbeliebt, dass er zur Office-Version 2007 endgültig in Rente geschickt wurde. Wichtig ist daher, die Avatare mit relevantem Wissen auszustatten, in den Hintergrund treten zu lassen, sowie »Persönlichkeits-Verweigerern« zu ermöglichen, auch ohne Figur ans Ziel zu kommen.
Mehr oder weniger intelligente digitale Helferlein
Diskussion
Zunächst stellt sich die Frage der Akzeptanz von Identifikationsfiguren bei der Zielgruppe. Der Einsatz von Persönlichkeit ist keineswegs in jedem Fall sinnvoll. Je nach Branche, Unternehmensphilosophie und Zielgruppe kann das Ergebnis einer Analyse sein, dass der Einsatz von Figuren nicht angemessen ist, dass ein Maskottchen aus der Produktbroschüre für die Handbücher aufgegriffen werden könnte, bis hin zur Implementierung einer voll ausgerüsteten Künstlichen Intelligenz.
Ein wichtiger Aspekt ist sicherlich auch die Wirtschaftlichkeit: Längere Dokumente und ein höherer Erstellungsaufwand sprechen zunächst gegen den Einsatz von Identifikationsfiguren. Im Zusammenspiel mit Redaktionssystemen können die Figuren jedoch systematisch verwaltet und beliebig wiederverwendet werden, etwa in Form von Grafikbausteinen mit variablem Sprechblasentext. Zudem könnten Figuren bei der Publikation von Informationsprodukten durch entsprechende Skripte automatisch eingebunden werden. Figuren benötigen zudem nicht zwangsläufig einen eigenen Platz, sondern können auch auf Weißflächen, etwa in der Marginalienspalte, zur Geltung kommen.
Hinsichtlich der Lokalisierung muss beachtet werden, international akzeptierbare Figuren zu schaffen. Als Maskottchen ein Schwein zu verwenden, könnte beispielsweise in arabischen Ländern auf Ablehnung stoßen, verschiedene Gesten wie ein aufrechter Daumen könnten weitere Irritationen auslösen.
Der Vollständigkeit halber sei zudem erwähnt, dass der Einsatz von Identifikationsfiguren und Avataren bislang keinen Forschungsgegenstand darstellt. Daher gibt es keine empirischen Studien, die eine Steigerung der Lesemotivation belegen.
Tipps zur Umsetzung
Gute Erfahrungen wurde mit dem Einsatz von spielerisch gestalteten Figuren in Beispiel-Abbildungen eines Software-Tutorials gemacht [3]. Dies könnte ein erster Schritt hin zum Einsatz von Identifikationsfiguren in der Technischen Dokumentation sein – stören sie doch weder den Lesefluss noch steigt der Erstellungsaufwand ins Unermessliche.
Doch auch weitergehende Ansätze, eine feste Figur im Handbuch oder in der Online-Hilfe zu etablieren, können für Leser und Autoren gleichermaßen belebend wirken. Notwendig ist hierbei ein schlüssiges, standardisierbares Konzept:
- Wie wird die Figur verwendet? Bietet sie Zusatzinformationen, etwa zu häufigen Anwenderproblemen, gibt sie Tipps, oder dient sie als Vorbild?
- Wie tritt die Figur auf? Etwa stets in der Marginalienspalte oder einem bestimmten Fensterrahmen, in Abbildungen
- Wann darf sie auftreten? Beispielsweise nur an Kapitelanfängen, in Beschreibungen, nicht in Warnhinweisen
- Wie »spricht« die Figur? Redet sie in der Ich-Form, gibt sie Befehle oder bleibt sie stumm und kommentiert lediglich durch Körpersprache?
- Wie sieht die Figur aus? Nur niedlich zu sein ist noch lange keine Daseinsberechtigung. Kindchenschemata werden sogar von einigen rundheraus abgelehnt. Es muss also nicht unbedingt eine pixelige Comic-Maus sein, auch Menschen in Form von Zeichnungen oder Realbildern sowie 3D-modellierte Figuren sind durchaus praktikabel.
Fazit
Viele Dokumentationen und digitale Hilfesysteme würden durch eine persönliche Note an Wert gewinnen. Eine Möglichkeit ist dabei wie gezeigt der Einsatz von Persönlichkeiten. Deren Verwendung ist jedoch von Fall zu Fall prüfen. Zur Entwicklung solcher Figuren und der dahinter stehenden Technologie sind ein entsprechendes Budget, die Absprache mit der Marketing-Abteilung, ein Technologie-Partner sowie die Akzeptanz der Redakteure wichtige Voraussetzungen. Einen Charakter zu entwickeln, Kommunikationsformen festzulegen und eine benutzerfreundliche technische Umsetzung zu finden, ist eine spannende und innovative Tätigkeit. Die Leser bzw. Anwender werden es Ihnen danken, indem sie Ihre Dokumentation mit mehr Freude nutzen.
Weiterführende Quellen
[1] »Für Dummies«-Sachbuchreihe: http://www.wiley-vch.de/dummies/
[2] »Frag doch mal die Maus«; erschienen im Bertelsmann-Verlag
[3] Einsteiger-Tutorial zum WCMS Joomla!: http://www.ully.com/joomla-tutorial
für Rückfragen: martin@haeberle-net.de
Humor in der Technischen Dokumentation
Nebil Messaoudi, Dokuwerk KG, Weingarten
»Humor ist das höchste Zeichen von Kompetenz. Erst wenn ich ein Thema und mich durchschaue, kann ich auch gelassen die Perspektive wechseln« meint der Arzt und Kabarettist Dr. Eckart von Hirschhausen [1]. Humor lässt sich grundlegend als Fähigkeit definieren, ein Lachen hervorrufen zu können und Missgeschicken des Alltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen. Und der deutsche Literat Otto Julius Bierbaum stellte einst treffend fest: »Humor ist, wenn man trotzdem lacht«. Grund genug, die Bedeutung von Humor in Sachbüchern und in didaktisch-instruktiven Texten näher zu beleuchten und herauszufinden, inwieweit Humor geeignet ist, den Leseanreiz für diese Textsorten zu erhöhen. Gemeint ist natürlich nur Humor im positiven Sinne, nicht etwa durch unfreiwillig komische Inhalte in Betriebsanleitungen aus Fernost.
Möglichkeiten, die Lesemotivation zu steigern
Anregende Zusätze können zur Erhöhung der Verständlichkeit eines Textes und der Lesemotivation beitragen. Mögliche Mittel zur Motivationssteigerung in Texten sind unter anderem Metaphern, anschauliche Beispiele oder ein persönlicher Stil. Auch mit Humor lässt sich der Leseanreiz erhöhen, zum Beispiel durch die Verwendung von Witzen, Anekdoten, Ironie, absurden Wendungen oder durch das Einbringen lustiger Cartoons.
Humor in Sachbüchern der »Für Dummies«-Reihe
Der Autor ist Mitverfasser des Buches »Joomla! für Dummies«. Die Sachbücher der ursprünglich amerikanischen »Für Dummies«-Reihe richten sich an Einsteiger und decken einen breiten Themenbereich ab [2]. In Büchern wie »Psychologie für Dummies« oder »Management für Dummies« werden fachliche Inhalte auf lockere, humorvolle Art und Weise erklärt. Jedes Hauptkapitel in einem »Für Dummies«-Buch wird mit einem humorvollen Cartoon begonnen [3]. Lustige Formulierungen werden bevorzugt in Beispielen, Auflistungen und Überschriften verwendet. So heißt ein Kapitel zur Retusche von Bildern in »Photoshop für Dummies« beispielweise »Mutter Natur austricksen«.
Einsatz von Humor in der TD
In Betriebsanleitungen können ebenso wie in der oben erwähnten Sachbuch-Reihe Humor und ein lockerer Schreibstil eingesetzt werden, um den Leseanreiz zu erhöhen. Besonders eignen würden sich hier ein bildhaftes Vokabular, anschauliche Beispiele und ein persönlicher Stil. Auch Cartoons könnten den Anwender – in Maßen verwendet – zum Lesen der Dokumentation motivieren und ihn dazu bewegen, die Produktdokumentation gerne in die Hand zu nehmen. Ob der Einsatz von Humor in der Technischen Dokumentation sinnvoll ist, muss je nach Branche, Zielgruppe und Firmenphilosophie entschieden werden. Zum Beispiel wäre die Akzeptanz in der innovativen Softwarebranche vermutlich höher als im eher konservativen Maschinenbau. Auch das Budget für die Produktdokumentation spielt eine Rolle, da durch Mehraufwand bei der Erstellung und Übersetzung höhere Kosten entstehen können.
Berücksichtigung der Zielgruppe
Bleibt die Frage: Wird Humor in einer Betriebsanleitung überhaupt von den Anwendern akzeptiert? Was wird von einem Dokument dieser Textsorte erwartet? Dies ist nicht zuletzt wichtig, da Humor subjektiv ist, was sich besonders bei einer sehr heterogenen Zielgruppe bemerkbar macht. In einer internationalen Studie wurden diese Anforderungen an Technische Dokumentation in einer Befragung in fünf Ländern ermittelt [4]. In Bezug auf Humor in einer Betriebsanleitung bevorzugten in den meisten Ländern lediglich zwischen 7 und 20 Prozent der Anwender einen lustigen/humorvollen Schreibstil. Nur in den USA gaben fast 50 Prozent der Befragten an, Humor in der Betriebsanleitung vorzuziehen.
Ein Usability-Test, der vom Autor zusammen mit Kommilitonen in einem Studienprojekt an der Hochschule Karlsruhe zu einem Buch der »Für Dummies«-Reihe durchgeführt wurde, ergab hingegen, dass 63 Prozent der Testpersonen einen humorvoll geschriebenen Sachtext bevorzugen.
Auch der Erfahrungsgrad der Leser wird vermutlich eine Rolle bei der Akzeptanz von Humor in der Produktdokumentation spielen. So ist zu erwarten, dass Einsteiger humorvollen und lockeren Beschreibungen am ehesten und Profis mit einem hohen Professionalisierungsgrad am wenigsten zugeneigt sind, da Profis mit der Materie besser vertraut sind und ohne Umschweife auf bestimmte Informationen zugreifen wollen. Weiterhin werden erwartungsgemäß Leser mit Interesse an den Inhalten und der Bedienung des Produkts empfänglicher für Humor in einer Betriebsanleitung sein als Leser, die aus reiner Notwendigkeit zum Handbuch greifen. Zu diesen Zusammenhängen gibt es allerdings bisher keine empirischen Untersuchungen.
Erwartete Akzeptanz von Humor in der TD nach Erfahrungsgrad der Zielgruppe
Pro und Contra
Für den Einsatz von Humor in der Technischen Dokumentation sprechen die Erhöhung des Leseanreizes und die verbesserte Verständlichkeit der Texte. Dadurch steigt die Qualität der Produktdokumentation – diese kann durch den Unterhaltungswert beim Lesen ein Stück weit selbst zum Produkt werden, ähnlich wie es bei einem Sachbuch der Fall ist. Nicht zuletzt macht es auch dem Redakteur mehr Spaß, humorvolle Texte zu verfassen.
Gegen den Einsatz von Humor spricht, dass sich dadurch der Textumfang erhöht und die Übersetzbarkeit leidet. Gegebenenfalls ist die Lokalisierung nicht oder nur unter hohem Aufwand möglich, da Humor oft kulturspezifisch ist. Falsch angewandt kann der Einsatz von Humor in Produktdokumentationen sogar die Verständlichkeit reduzieren, statt sie zu erhöhen, wenn dadurch Missverständnisse entstehen. Schließlich muss die Neigung und Bereitschaft zum humorvollen Schreiben beim Redakteur vorhanden sein und der Schreibstil vom Anwender angenommen werden.
Tipps zur Verwendung von Humor in der TD
Haben Sie sich dazu entschieden, dieses Stilmittel für ihre Dokumentation einzusetzen, sollten Sie folgende Tipps bei der Erstellung beachten:
- Verwenden Sie keinen Humor in Überschriften. Dies erschwert den Zugang zu Informationen über das Inhaltsverzeichnis, wie der oben genannte Usability-Test zeigte.
- Setzen Sie Humor ausschließlich in beschreibenden Texten ein, nicht in Handlungsanleitungen oder sicherheitsrelevanten Texten, um die Rechtssicherheit nicht zu gefährden. In Hinweisen und Tipps kann dagegen Humor zur Auflockerung ohne Weiteres verwendet werden.
- Beschreibende Texte können mit bildhaftem Vokabular (Metaphern, Vergleiche, Analogien), Sprachwitzen und anschaulichen Beispielen angereichert werden.
- Gehen Sie mit humorvollen Zusätzen sparsam um und formulieren Sie immer so, dass an der Seriosität des Herstellers kein Zweifel besteht.
Cartoons oder Comics sollten außerhalb des Inhalts platziert werden, zum Beispiel in der Marginalie oder in einem eigenen Rahmen, um den Lesefluss nicht zu unterbrechen. - Sorgen Sie für eine lockere und witzige Atmosphäre beim Leser und beziehen Sie ihn zum Beispiel durch eine persönliche Ansprache oder Identifikationsfiguren stärker mit ein.
- Verzichten Sie auf Ironie oder stellen Sie sicher, dass ironische Formulierungen auch als solche verstanden werden.
- Die Diskriminierung oder Ausgrenzung von Gruppen, rassistische oder anzügliche Witze sind in jedem Fall tabu.
Zum Weiterlesen
[1] Computerwoche (2008): »Eckart von Hirschhausen: ‚Humor ist das höchste Zeichen von Kompetenz‘«: http://www.computerwoche.de/job_karriere/karriere_gehalt/1852199/
[2] »Für Dummies«-Sachbuchreihe: http://www.wiley-vch.de/dummies/
[3] Analyse der »Für Dummies«-Bücher: http://www.joomla-das-buch.de/analyse-der-fuer-dummies-buecher/
[4] Reck, Monika (2008): »Wissen ist gefragt – Internationale Studie ermittelt Anwenderwünsche«. In: technische kommunikation Nr. 6 (2008), S. 14
für Rückfragen: nebil@messaoudi.de